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26. Jan 2015 [*.txt – 01]
Memoiren einer Bloggersfrau//Persönlich ist das neue Schwarz// Noch kein Kommentar
Heute früh lief mir eine Fußgängerin vor’s Auto. Ich bremste, kam rechtzeitig zum stehen, sie beschwerte sich. Nun ja.
Womöglich wäre es ihr lieber gewesen, wenn ich sie überfahren hätte; was weiß ich schon von den Plänen fremder Fußgängerinnen. Vielleicht war sie für einen Moment ihres Alltags müde und hatte sich der Fantasie eines ruhigstellenden Beinbruches hingegeben oder gar mit einer dislozierten Hüfte geliebäugelt, Menschen sind ja manchmal so komisch. Jedenfalls, und deshalb schreibe ich das jetzt, hätte ich ihr vor Wut gerne den Arsch versohlt, ich mein, erst einfach blindlinks auf die Fahrbahn tapsen, sich die Unversehrtheit (wer weiß, vielleicht sogar das Leben!) retten lassen, und dann auch noch patzig sein – wo kommen wir denn da hin? Doch anstatt mit proteststarker Warnblinkanlage und gerechtem Zorn über sie zu kommen, atmete ich einmal tief durch, lächelte nett, nickte ihr zu und fuhr meiner Wege.
In der Theorie bin ich der friedfertigste Mensch der Welt, aber seien wir ehrlich: Es ist schwierig mit all dieser Gewaltlosigkeit. Seit ich Yoga praktiziere, fällt es mir zwar immer leichter, die alten Reflexe abzulegen und mich respektvoll und mitfühlend zu verhalten, aber es sind Situationen wie diese da oben, in denen ich auf einem schmalen Grat wandere zwischen meiner mitfühlenden Natur (unaufmerksame Frau erschrickt und kanalisiert das Adrenalin in Richtung des vermeintlichen Angreifers) und den erlernten Reflexen (mich ungerecht behandelt fühlen und rigoros zu verteidigen).
Und so musste es heute reichen, die Situation zwar hinzunehmen und weiterzufahren, aber außer Sichtweite ein Feuerwerk an Schimpfwörtern – und zwar die besonders exquisiten, die, die mit F und C und B beginnen – abzubrennen. Und bis ich tatsächlich in der Lage bin, auch überraschenden Konfliktsituationen mit dalai-lama-mäßigem Sanftmut zu begegnen, halte ich das für eine durchaus praktikable Übergangslösung.
Dieser Eintrag ist Teil des Blogprojektes *.txt und widmet sich dem Wort »Gratwanderung«.
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