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27. Jul 2011 Buch: Moby-Dick
Moby-Dick
Herman Melville (Autor), Matthias Jendis (Übersetzer)
Das Gröbste vorweg: Ich habe Moby-Dick nicht nur im März diesen wunderschönen Jahres auf Seite 315 von 866 beiseite gelegt, sondern seither auch nicht mehr aufgeschlagen.
Das Walthema ist für mich ein Schweres: Ich gehöre zu der Gattung Mensch, die schon angesichts der Abbildung eines Wals vor Rührung zu heulen anfängt. Ich möchte gar nicht darüber nachdenken, was mir passierte, sähe ich ein solches Wesen einmal tatsächlich vor mir! Der Meeresspiegel würde auf jeden Fall signifikant steigen, da bin ich mir sicher. Jedenfalls behagte mir der Gedanke, die überall und jederzeit himmelhoch gelobte Geschichte eines unglückseligen Walfanges zu lesen, nicht vollends, als ich dennoch beherzt nach dem Taschenbuch griff.
Und was soll ich sagen: Ich verliebte mich im Nullkommanichts in den Ich-Erzähler Ismael und seinen etwas schrägen Freund Queequeg, erfreute mich anhaltend an Melvilles/Jendis’ Humor und hing an seinen Lippen wie nichts Gutes. Ich wäre sogar bereit gewesen, bis an des Wales Blut zu gehen, wenn – ja wenn da nicht der literarisch ach so hoch gelobte Erzählstilwechsel wäre. Während einige Geschehnisse so dramatisch überzeichnet werden, dass man sich fühlt wie bei einem Theaterbesuch auf LSD, werden andere mit der rauschenden Beschwingtheit einer enzyklopädischen Abhandlung vorgetragen – wohingegen weitere Passagen in einer geradezu autistisch anmutenden Detailtreue und unter massivstem Einsatz ellenlanger Schachtelsätze, die diesen hier, der just in diesem Moment auf Ihr hochgeschätztes Augenlicht trifft, nicht nur mit Leichtigkeit in den Schatten stellen, sondern auch die unsäglichen Mühen, die mir seine Dichtung in der hier und jetzt vorliegende Länge bereitet haben, wie einen illustren Waldspaziergang an einem lauen Frühlingsmorgen erscheinen lassen, geschildert werden.
Kurzum: Mir riss der Geduldsfaden zu Beginn des Kapitels „Das Weiß des Wals“, und zwar aufgrund eines Satzmonsters von beeindruckenden 59 Zeilen, dessen Folgeabsätze von seitenfüllenden Einschüben flankiert werden. Mir kam der Verdacht, dass Melville an dieser Stelle beabsichtigte, die Spreu endgültig vom Weizen zu trennen, und so sei es; ich bekenne mich an dieser Stelle zum Spreutum, nicht aber ohne die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, dass ich, wenn ich dereinst älter, geduldiger und vielleicht auch weiser geworden bin, endlos verschachtelte Sätze und mannigfaltige Erzählstilwechsel vielleicht als kunstvoll anerkennen und am Ende doch noch auf die Seite des Weizens wechseln könnte.
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