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23. Feb 2010 Bücher 2010 (I)
Stijlroyal – Ausgabe 12 / Herbst/Winter 2009
♥
„Magazin aus dem Inneren“
Herzpoperz. Ich biege und breche mal die Regeln und schmuggel Ihnen ein 2009er Magazin unter die 2010er Bücher, weil, nämlich: Im Grunde ist die Bezeichnung egal, hier geht’s ja schließlich um Literatur, und das ist – unter anderem wundervollen – genau das, was man im Magazin aus dem Inneren findet.
18 Twittersleut
erzählen von ihrer Heimat, darunter Else Buschheuer, Gebenedeite und Marlon Grego, deren Geschichten mir ordentlich ins Herz gelangt haben.
Wer bin ich - und wenn ja wie viele? – Richard David Precht
★★☆☆☆☆☆☆☆☆
„Eine philosophische Reise“ (im Herbst 2008 gelesen, letzten Sonntag endgültig weggelegt)
Eigentlich kann ich mir kein Urteil erlauben, denn ich habe das Buch nicht gelesen. Andererseits waren mir 102 Seiten genug, um ein mehr als genaues Bild vom stilistischen Repertoire Prechts zu haben – und bis ins Mark gelangweilt zu sein. Die Vorstellung, dieses mit narzisstischem Geseier gespickte Kingsize-Erkenntnissammelsurium noch weitere 274 Seiten aushalten zu müss… Oha! Ich merke grad erst, wie entsetzlich ich dieses Buch wirklich fand. Und wie wenig Spaß mir Verrisse machen.
Der Fliegenfänger – Willy Russell
★★★★★☆☆☆☆☆
Der Fliegenfänger könnte durchaus ein gutes Buch sein. Unterm Strich war es für mich aber nur ganz okay. Mein größtes Problem war die Erzählstruktur: Der junge Protagonist erzählt seine Geschichte in Form von Briefen an sein Idol Morrissey, was sehr bemüht auf mich gewirkt hat – gerade so, als wäre es eine strategische Vermarktungsentscheidung gewesen, der Geschichte diesen speziellen Rahmen zu geben.
Darüber hinaus sind einige (auch durchaus wichtige) Handlungsstränge völlig unglaubwürdig, die Dialoge wirken hölzern und konstruiert, die Erzählung ist in ihrer Detailtreue streckenweise ausgesprochen ermüdend. Hier ein Auszug, der alle drei Kritikpunkte in sich vereint (der junge Mann betrachtet das Fotodisplay eines Schnellimbisses):
Ist der Pikante Bohnenburger vegetarisch?, fragte ich die Verkäuferin.Sie sagte:
Natürlich ist er vegetarisch, sonst hieße er ja nicht Pikanter Bohnenburger!
Aha, erwiderte ich. (…)
Na gut, dann nehme ich eben den Pikanten Bohnenburger.
Geht nicht, sagte sie.
Wieso?, fragte ich.
Weil heute Sonntag ist.antwortete sie.Sonntags ist der Pikante Bohnenburger nicht im Angebot. Samstags übrigens auch nicht. Den Pikanten Bohnenburger gibt’s nur werktags. Nicht am Wochenende.Ich sah sie stirnrunzelnd an und sagte:
Aber das ist doch bekloppt! Man ist doch nicht nur werktags Vegetarier!Sie starrte finster zurück, sagte sehr laut:
Na, na!und fügte dann hinzu:Sie halten hier den ganzen Betrieb auf.
Tut mir leid, erwiderte ich.Ich wollte mich nur erkundigen, warum es den Pikanten Bohnenburger offensichtlich weder samstags noch sonntags gibt.
So steht es auf den Seiten 41 und 42 geschrieben, und so hätte ich den Fliegenfänger fast auf Seite 42 von 525 recht eng bedruckten Seiten aufgegeben. Es war allerdings eine gute Entscheidung, dem Buch noch weitere 20 Seiten zu geben, denn sobald die Kerngeschichte Einzug in die Rahmenhandlung hielt, hat es mich trotz reichlicher Stereotypen gut unterhalten.
An welcher Stelle der Roman allerdings – Klappentext ahead – „überaus komisch und gleichzeitig warmherzig“ sein soll … nun ja. „Skurril und deprimierend“ würde eher meinem Empfinden entsprechen.
Der Alchimist – Paulo Coelho
★★★★☆☆☆☆☆☆
Der Mann bekam dieses Buch vor einigen Jahren mit dem Vermerk geschenkt, es wäre unglaublich zauberhaft, noch toller und weiser als der Kleine Prinz sogar, es wäre überaus reich an hochphilosophischen Blickwinkeln und eine Bereicherung für jede Gedankenwelt.
Ich aber sage: Der Alchimist ist ein ganz simples Märchen mit einer beeindruckend hohen Dichte an Kalendersprüchen.
Dass die Mystifizierung unserer Umwelt als Zeichen, die uns den Weg weisen, auf dem Buchmarkt überaus gut funktioniert, bewies ja schon vor etlichen Jahren Die Prophezeiungen von Celestine, um das sich bald ein regelrechter Club der Orientierungslosen bildete. Mein 15-jähriges Ich eingeschlossen.
Diese Art von spiritueller Lebenshilfe ist mir heute unerträglich, sie langweilt mich in ihrem Bestreben, Leben und Zufall in Sinn und Struktur zu verbiegen. Wohingegen ich mir vorstellen kann, dass die Celestine-Geschichte für mich auch heute noch gut als Unterhaltungsroman funktionieren könnte. Im Gegensatz zum Alchimisten, bei dem ich mir schon bald inständig wünschte, er möge nun endlich zu Potte kommen.
Ich bin ungerecht, mein Missfallen am Hype um dieses Buch am Buch selber auszulassen. Eigentlich ist nicht nur ein ganz simples, sondern auch ein hübsches Märchen. Und es steckt Liebe in den Zeilen. Und ich bin manchmal eine miesepetrige Kuh.
Sturmhöhe – Emily Brontë
★★★★★★★★☆☆
Als ich Sturmhöhe las, rannte ich immer wieder zum Mann und beschwerte mich, was für ein schlimmes, schlimmes Buch das sei. Womit ich die Menschen und ihre Taten darin meinte, die ein bisschen sind wie der sprichwörtliche Unfall, zu dem Blicke sich naturgemäß hingezogen fühlen. Es ist der Ekel vor grausamer Menschlichkeit, der einen an die Seiten bindet, und ich musste das Buch mehrfach weglegen, da es mich missmutig stimmte, ja geradezu aggressiv machte.
Durch die kunstvolle Erzählstruktur wird man sehr weit vom Geschehen ferngehalten; ich wäre gern näher an die Charaktere herangekommen. Sturmhöhe hat mich so trotz seiner Dichte hungrig und mit einem Fragezeichen zurückgelassen. Ich werde es garantiert noch einmal lesen, alleine da die Geschichte in ihrer Gesamtheit ein ganz anderes Licht auf ihre eigenen Einzelheiten wirft. Ich liebe die Sprache*, es gab einige Passagen, die ich gleich mehrmals gelesen habe – einfach weil sie so schön wehgetan haben. Und plötzlich verstehe ich auch völlig, was Kate Bush hier getrieben hat.
(* Leider ist bei Amazon nicht vermerkt, dass das mir vorliegende Exemplar eine Übersetzung von Gisela Etzel aus dem Jahre 1908 ist, die von Ilka Saal und Gerhard Wolf (offensichtlich) behutsam modernisiert wurde. Nach einiger Recherche über die zahlreichen Übersetzungen allerdings, werde ich für einen weiteren Durchgang entweder der Übersetzung von Michaela Meßner in der dtv- oder der von Ingrid Rein in der Reclam-Ausgabe den Vorzug geben.)