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21. Nov 2012 »Du bist bestimmt schwanger!«
valerie-dewitt bei jetzt.de
Ganz gut, aber mir ist seit gestern ein bisschen schlecht, sage ich auf die Frage meiner Mutter, wie es mir gehe.Hah, schwanger!, sagt meine Mutter vergnügt ins Telefon. (…) Als Frau über 20 muss man sich diesen Scherz gefühlte drei Mal pro Woche anhören. Noch öfter sogar, wenn man außerdem länger als zwei Jahre in einer Beziehung ist. Immer, wenn einem mal nicht gut ist.
Ich kann gar nicht sagen, wie viele Wutmomente mir dieser Schwangerschaftswitz in meinen Zwanzigern gemacht hat. Und die anschließenden Diskussionen, warum ich denn keine Kinder bekommen wollen würde. Und dass ich schon noch sehen würde; ich wäre schließlich noch jung, meine »Meinung« (hihi) würde sich ja noch ändern (zwinkerzwinker). Ich arbeitete damals in einem sehr männerlastigen Umfeld und wurde fast täglich mit dieser Distanzlosigkeit konfrontiert. Ticktack. Ticktack. Ticktack. Im Büro. In der Kantine. Auf dem Weg zum Parkhaus. Meine Lebensplanung als Diskussionsobjekt, mein Uterus als Gesprächsgrundlage. Ich fühlte mich regelrecht gehetzt, mit dem Rücken an die Wand gedrängt – und war ganz kurz davor, die Unfruchtbarkeitslüge nebst Tränen auszupacken (was ich aber des Respekts vor der Tatsächlichkeit wegen doch nie getan habe).
Ende Zwanzig ließ man mich in Ruhe, aber nur insofern, dass man mir zugestand, erst einmal Karriere zu machen. Ich bin nun 32 Jahre alt und habe ernsthaft Angst zu erfahren, wo die magische Grenze liegt, ab der das Ticktack-ticktack-ticktack seine Renaissance erfährt und mit einem drängenden du hast nicht mehr viel Zeit kombiniert wird.
Auf den Artikel stieß ich bei Frau Meike, die dazu eine durchaus befremdende Diskussion führen musste.
17:11h
Jamie sagt:
Das hört eine ganze Weile nicht auf. Mich fragen sie noch immer, und ich bin 42.
17:49h
Etosha sagt:
Immer wieder mal, mit 38 kein Ende abzusehen. Dringliche Anfragen gibts so ab 35. (I feel your pain. Diese Ähnlichkeit, spooky manchmal.)
18:09h
Tina sagt:
Same here, mit 38 tickt es lauthals um mich rum. Herrlich, wenn einen dauernd Menschen drauf aufmerksam machen, dass ich nicht schwanger bin. Hätte ich doch sonst gar nicht gewusst und noch versehentlich Babykram gekauft. (Gepaart gern mit Beteuerungen dessen, was man als Nicht-Mutter alles nicht mal erahnen kann.)
18:43h
Chrissy sagt:
Deswegen sag ich aus Prinzip, wenn mich zb.: einer auf Arbeit fragt, wie es mir geht und mir gehts nicht gut, sag ich: mir gehts tiptop.
Weil höchstens du bist schwanger oder hast deine Tage.
11:22h
serotonic sagt:
Ach, es ist so ärgerlich.
Etosha, hurra! Not. (Ja.)
Chrissy, und das sehe ich mal gar nicht ein. Ich mein, wie beknackt ist das denn? Dass man so tun muss, als würde einem die Sonne aus dem Arsch scheinen, nur um nicht mit Zudringlichkeiten und Sexismen bedacht zu werden?
12:05h
Joana sagt:
Ich bin fast 40 - es hat immer noch nicht aufhört.
"Willst du nicht doch?"
"Irgendwann tut es dir leid."
"Wenn du alt bist, bist du einsam."
Ich hoffe ja, mit 45 hört es endlich auf….
13:58h
serotonic sagt:
»Wenn du alt bist, bist du einsam.« Dieser Satz macht mich von allen am wütendsten – weil er impliziert, dass es völlig ok wäre, rein aus Vorsorgegründen Kinder zu bekommen. Kinder sollten kein Garant für lebenslange Gesellschaft sein, und sind es auch nicht: Meine Oma zum Beispiel hat eine Tochter geboren, drei weitere adoptiert – und ist doch völlig allein gestorben.
18:06h
Etosha sagt:
Hey, wir sterben alle allein. Man sollte sich da nichts schönreden. Aber ich versteh schon, der hoffnungsvolle Gedanke mag eine Erleichterung sein. Ist es vielleicht das, was man als Unmutter nicht erahnen kann? ;)
18:10h
Etosha sagt:
Ähm, und was ich noch sagen wollte:
Ad "Kinder sollten kein Garant für lebenslange Gesellschaft sein" - und der gefühlte Grund fürs Kinderkriegen sollte sich von Angst imho deutlich unterscheiden. Sollte man Kinder kriegen, damit man später nicht allein ist? Sicherheitshalber, damit es einem später nicht leid tut? Oder vielleicht als Ersatzteillager für bereits geborene Kinder mit Gesundheitsproblemen? Oder einfach, damit man seinen Sinn und Nutzen auf der Welt erfüllt hat?
18:11h
Etosha sagt:
(Mein letzter Kommentar sollte natürlich nicht in die Anonymität abrutschen. :D War ein Unfall.)
09:08h
serotonic sagt:
Etosha, ’schab das mal ergänzt, wah.
Was ich schon für realistisch halte: Dass die bedingungslose Liebe und Selbstaufgabe einer Mutter etwas besonderes ist – und dass es unter den Menschen, die keine Kinder haben, einen geringeren Prozentsatz derer gibt, die diese Art von Liebe im Verlauf ihres Lebens kennenlernen.
Zu den Gründen: Ich habe mal mit jemanden am Tisch gesessen, der sich ein Kind wünschte, damit sich jemand freut, wenn er nach Hause kommt. Ich habe ihm dann alternativ einen Hund vorgeschlagen – aber schlussendlich ist es mir doch einerlei, aus welchen Gründen Menschen Kinder bekommen, solange sie sie, so sie einmal da sind, von Herzen lieb haben und ihnen all das geben, was sie brauchen (das Ersatzteillager daher ausgenommen). Ich möchte nur nicht ungefragt und im unpersönlichen Smalltalkrahmen meine Familienplanung diskutieren und mich entsprechend bewerten lassen müssen.
17:38h
Steffi sagt:
Bei mir war mit dem 40. auf magische Weise das "Problem" Kinderfrage erledigt.
Und komischerweise strahlt man das dann scheinbar aus:
Seitdem fragt keiner mehr.
Ich haue aber auch immer gleich einen Spruch raus, wenn’s irgendwie in Richtung dieses Themas geht.
All die Jahre vorher fand ich es aber auch krass.
Diese Unverfrorenheit, mit der fremde Menschen einem Aussagen über seine Lebensplanung, Fortpflanzungsfähigkeit und so abverlangen, ohne sich das kleinste bisschen Gedanken zu machen…
Aber das fühlt man wohl erst, wenn man’s erlebt.
Dabei kommt mir der Gedanke:
Wenn sich das mal jemand traute, jemanden, der schwanger ist zu fragen, wieso sie DAS denn tut.
08:54h
Etosha sagt:
Natürlich sollen sie liebgehabt werden, wenn sie mal da sind. Ich habe im Sinne der Satireschreiberei natürlich übertrieben, wie immer. Tatsache ist aber: so mancher Frager (meistens sind es ja Fragerinnen, wenn man ehrlich ist) zieht es vor, das Keinekinderwollen für nicht normal zu befinden und das auch schamlos kundzutun, während die eigenen Motive tunlichst nicht hinterfragt werden. Ich glaube, dass solche Gespräche in vielen Fällen Selbstgespräche sind, in denen Menschen sich selbst versichern, dass alles gut ist.
10:08h
serotonic sagt:
Steffi, ich glaube auch, dass das bei vielen echt einfach Trotteligkeit ist. Wie betrunkene Vertraulichkeit, nur ohne Alkohol ;)
Etosha, weiß ich doch, da ticken wir ja beide ziemlich gleich :) Aber in einem Punkt unterscheidet uns die Lage dann doch: Bei mir sind’s eindeutig mehr Männer. Also so völlig und ohne Zweifel. Und zwar nicht nur häufiger, sondern auch dreister.
11:51h
Etosha sagt:
Männer? Echt? Und du bist sicher, dass die sich nicht einfach nur als potent(iell)e Erzeuger ins Rennen bringen wollen?
Ich sagte ja mal zu meinem Mann, wenn uns die Menschen fragen, ob wir Kinder wollen, finde ich das so indiskret, als würden sie fragen: "Und? Ficken Sie?"
12:15h
serotonic sagt:
Jarwoll, ziemlich sicher – es sind meist solche, die bereits selber Kinder haben. Ich weiß ja auch nicht.
(HARHAR! So ist es. #ficken)
13:09h
Forsch sagt:
Ich (m) habe lange überlegt, warum oder warum nicht ich Kinder möchte und mir sind ein paar Dinge im Laufe der Jahre aufgefallen.
* Ältere Menschen ohne Kinder sind aufgeschlossener, interessierter, haben mehr Interessen / Hobbys als Menschen mit Kinder
* Ältere Menschen mit Kindern sind eher ruhiger, zurückgezogener.
Das war lange mein Argument gegen Kinder. Augenscheinlich laugen sie dich aus und man will, wenn sie denn irgendwann mal ausgezogen sind, nur noch seine Ruhe haben.
Irgendwann machte es bei mir ticktackticktack und mir kam die Idee, dass Menschen mit Kindern ja irgendwie ihre Arbeit auf Erden erledigt haben. Sie haben dafür gesorgt, dass das Leben weitergeht. Auf eine sehr grundlegende Art: Lebensziel erreicht! Check! Hängematte, Ruhe!
Menschen ohne Kinder sind dem Gedanken zur Folge ständig auf der Suche, wie man noch Spuren auf Erden hinterlassen kann. Und müssen sich also weiterhin engagieren.
Ich habe mich (spät) für Kinder entschieden und mein Leben dadurch einmal auf den Kopf gestellt.
(Das soll übrigens keine Wertung für die eine oder andere Haltung darstellen.)