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18. Jun 2009 (N30)
Zum ersten Mal sehe ich meinen Staat, den ich bei all seinen Macken bisher immer als zutiefst demokratisch empfunden habe, mit sehr misstrauischen Augen an.
Anke Gröner über
das Gesetzesvorhaben zu Internetsperren
Bereits am Dienstag hat sich die Große Koalition auf einen Gesetzesentwurf zur Bekämpfung von Kinderpornographie im Internet geeinigt – an dem selben Dienstag übrigens, an dem die Petition „Keine Indizierung und Sperrung von Internetseiten“ mit 134.014 Mitzeichnern in die parlamentarische Prüfung gegangen ist. Heute ist der Tag, an dem der Entwurf erneut im Bundestag beraten und – sofern nicht noch ein Wunder geschieht – beschlossen wird.
Ich empfinde erstmals Scham dafür, der SPD meine Stimme gegeben und dadurch die Große Koalition mit verantwortet zu haben.
Ich fühle Ekel vor den Menschen, die das Leid missbrauchter Kinder missbrauchen, um ihre politischen Ziele durchzusetzen.
Ich misstraue einer Regierung, die 134.000 Stimmen ignoriert und entgegen Recht und Sinn ein Gesetz beschließt, das die Gewaltenteilung – immerhin Netz und doppelter Boden unserer Demokratie – aufhebt. Und ich habe Angst vor einer Zukunft, in der der Staat nicht mehr den Bürger vertritt, sondern – im Namen des Guten und Therapeutischen
– wie ein großer Bruder über ihn wacht.
Heute wird der letzte Tag sein, an dem ich an die freiheitliche Grundordnung, mit der ich aufgewachsen bin, glauben kann. Und es gibt weniges, was mich so sehr erschreckt wie dieser Gedanke.
Das Gesetz ist beschlossene Sache. Der Bundestag war während der Debatte wie leer gefegt, was wohl mit daran lag, dass die Parlamentarische Gesellschaft zum Sommerfest eingeladen hatte. Um mich ausnahmsweise selber zu zitieren: Gewaltenteilung aufheben zwischen 2 Grillwürstchen. Ich kann meinen Ekel kaum beschreiben.
22:55h
Ebola sagt:
In Karlsruhe werden schon Bretter geschmiedet.
Das Erste kommt am 17. Juli und wird nicht das Einzige bleiben.
15:07h
gö* sagt:
Dein Text und der von Frau Gröner können einen schon ganz schön aus der Fassung bringen. Bzw. die Sache. Diese Ungeheuerlichkeit.
Als sie damals den Krieg gegen Serbien beschlossen, empfand ich das ähnlich. Im Handstreich haben sie unsere "Demokratie" grundsätzlich verändert. Was ist sie jetzt noch wert, was bedeutet sie noch?
Auf der anderen Seite denke ich aber auch: noch ist das letzte Wort nicht gesprochen. Und nach der nächsten Wahl - - - ?
08:54h
Sisyphos sagt:
Hoffentlich denken die Menschen am Tag der Wahl noch an das, was während des Jahres passiert ist - nicht nur dieses Gesetz!