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23. Jun 2009 (N31)
Da sitze ich in Räumen, die vor langer Zeit mein zu Hause waren und rede mit Menschen, denen einst daran gelegen war, mittels Buchgeschenken und weisen Worten einen wachen, (selbst-) reflektierten und kulturell interessierten Menschen aus mir zu machen.
Szene 1: „Das Internet ist böse“
Ich greife das Thema Internetsperren auf und spreche von der allgemeinen Gefahr, die davon ausgeht, eine zur Zensur geeignete Technik in eine Informationsinfrastruktur zu integrieren – aus welchen gut gemeinten Gründen auch immer. Ich erkläre die zentrale Bedeutung des Internets als Kommunikationsmedium für meine Generation, versuche seinen Wert als sozialen Raum zu vermitteln, spreche von der unglaublichen Bereicherung meiner Gedankenwelten durch andere Netzbewohner und der wertvollen Erweiterung meines persönlichen Netzwerkes im privaten sowie beruflichen Bereich, … – und finde mich in einer durchaus erbosten Diskussion wieder, die zum Thema hat, dass ich doch bitte endlich begreifen möge, dass der Mensch eine Seele hat. (Ja, dass gelebte Onlinekommunikation und der Glaube an die menschliche Seele sich überhaupt ausschließen könnten, war auch mir völlig neu.)
Szene 2: „Sowas machen nur Idioten“
Ich erzähle, dass jemand den Briefwechsel zwischen Schiller und Goethe in Echtzeit ins Netz stellt, quasi verspätet live bloggt. Mein Gegenüber überschlägt sich fast vor Fassungslosigkeit, fragt in einem Tonfall, als hätte ich persönlich die Verbrennung dieser Briefe veranlasst, wer um Himmels willen denn sowas täte, und versieht meine Antwort mit dem Urteil „diese Idioten“. Ich ergehe mich in einem Kurzkommentar über die schizophrene Wahrnehmung von Kommunikation, Kunst und Kultur, und bin dem Poschisten sehr dankbar, als er elegant das Thema wechselt.
Wenn ich schon in meinem engsten Kreis so derartig vor die Wand laufe, bekomme ich regelrecht Angst vor unserer Aufgabe, weiterzumachen.
00:20h
diltigug sagt:
Uhh, ein ähnliches Gefühl kenne ich nur zu gut.
Ich fühle mich da teilweise in die Jugend zurückversetzt. Wo man mich mit endlosen Argumentationsketten zum kritisch reflektierenden Menschen machen wollte, letztendlich aber nur mangels Vertrauen eine andere Meinung nicht akzeptiert hat. Zwar wurde das Ziel wohl erreicht, denke ich, aber andere dafür vernachlässigt. Man fühlt sich immer noch wie der Kleine, der ja keine Ahnung vom Leben hat. Aber allein diese Erkenntnis, zusammen mit der Überzeugung sich für das Richtige einzusetzen, wiegt mehr als die Angst und lässt einen wachsen und weitermachen.
16:55h
Karan sagt:
Keine Angst haben! Erst mal ein bissl Propagandamusik zum Aufmuntern hören:
http://www.singvoegel.com/index.php/stasi-20/
Und dann frisch an’s Werk. Wir kriegen das schon hin. Zusammen, und so.
:-)
17:43h
serotonic sagt:
diltigug:
… und bei mir ist mittlerweile der Punkt erreicht, an dem ich das Bedürfnis habe, Hände zu tätscheln. Was im Endeffekt noch viel erschreckender ist als das Gefühl, klein zu sein.
Karan:
Doch doch, sehr wohl Angst haben, bei allem Willen muss das auch mal drin sein, zumindest für mich, für einen Moment und allein der der Erdung wegen.
> Zusammen und so
:)
(Das ist das Schöne an dieser ganzen unsäglichen Geschichte, dieses Zusammen-Ding ohne Gleichschaltung.)