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01. Jul 2009 (N34)
Liebes Versandhaus mit 6 Buchstaben,
in einem Zustand, den man nur mit reichlich kurzentschlossen und durchaus rotweingetränkt beschreiben kann, bestellte ich vor rund 5 Wochen in deinem Onlineshop 5 Schiebevorhänge in 3 Farben. Unter uns: Du hast nur die Zulage bekommen, weil der Onlineshop deiner Konkurrenz (dem Versandhaus mit 4 Buchstaben) ein javascriptverseuchter Scheißhaufen ist es mir nicht erlaubt, einzelne Produkte zur genauen Begutachtung parallel zueinander in mehreren Tabs aufzurufen. Im Grunde seid ihr mir ja beide strunzunsympathisch, aber nun gut, ich hatte zu viel Rotwein und jeweils eine frisch renovierte Fläche rechts und links der Terrassentür, die unbedingt, jetzt und sofort Vorhänge brauchte – eine teuflische Kombination, wie du dir sicher denken kannst. Kurz vor 12 also schickte ich dir meine Bestellung, der festen Meinung, dass 2 weiße, 2 grüne und 1 blauer Schiebevorhang das beste wäre, was mein Fenster schmücken könnte.
Das sah am nächsten Morgen freilich anders aus. Noch vor der Zeit schreckte ich aus dem Schlaf, mit dem plötzlichen Wissen, dass der blaue Vorhang der Buntheit zu viel wäre und ein ganz, ganz billiges Licht in mein Möbelhaus-Gedächtnis-Wohnzimmer werfen würde. Also machte ich mich auf, mit einer deiner reizenden Telefonservicedamen einen frühmorgendlichen Kaffeeplausch zu halten, für nur 14 Cent die Minute. Die war auch übrigens fürchterlich nett und stornierte den blauen Vorhang, als würde sie den lieben langen Tag nichts anders machen. Meinen Wunsch, dafür ersatzweise einen 3. weißen Vorhang mit ins Paket zu packen, konnte sie jedoch nicht erfüllen. Und warum? Weil die Bestellung ja schließlich von gestern war, und da müsste man natürlich und selbstverständlich nun einen eigenen Vorgang für eröffnen, welcher einer eigenen Versandkostenpauschale bedürfe. Ich wurde für einen kleinen Moment ein bisschen grantig. Du musst mir das verzeihen, es war noch ein bisschen zu früh am Tag für Nickeligkeiten, ich kann da schlecht aus meiner Haut. Also schlug ich der freundlichen Servicedame für 14 Cent die Minute vor, einfach die ganze Bestellung zu stornieren, ich würde dann später am Tage einfach noch einmal den Onlineshop bemühen und auf diesem Wege aus zwei Vorgängen einen machen. Plötzlich ging das dann doch mit der einfachen Versandkostenpauschale.
Nun stellte sich heraus, dass sich die Lieferung der Ware verzögern würde. Im Grunde bin ich ein außerordentlich geduldiger Mensch, weshalb ich auch erst vorhatte, brav 4 Wochen auf simple Schiebevorhänge zu warten. Aber, liebes Versandhaus mit 6 Buchstaben, ich war dann blöderweise ein paar Tage später bei Ikea. Die hatten viel, viel schönere Schiebevorhänge als du, auch nur wenig teurer, und als ich sie begutachtete lief Dancing Queen im Einkaufsradio, woraufhin ich ein Tänzchen mit einer Führungsschiene wagte. Du verstehst, dass ich SOFORT zuschlagen musste; ich mein, wer kann denn da nein sagen, angesichts nackter Wände neben Fensterflächen und entsprechender Saalakustik im Wohnzimmer, dem immerhin lauschigsten Plätzchen in diesem mir trautesten Heim? Siehste. Niemand. Ich war dann aber auch so fair, deinen fürchterlich netten Telefonservicedamen direkt Bescheid zu sagen, dass du deine Vorhänge gleich bei dir behalten und meine Daten allesamt löschen kannst.
Du weißt, was nun kommt, nicht wahr? Falls du dich nicht mehr erinnerst: Ich erhielt mein Überraschungs-Willkommens-Geschenk per Warensendung. Nebst ausführlicher Entschuldigung, dass die restlichen Artikel noch etwas auf sich warten lassen würden und der Bitte, den Betrag von 0,- Euro auf dein Konto zu überweisen. Ich war so frei, dies zu unterlassen. Ich habe dir lieber nochmal für 14 Cent die Minute Bescheid gesagt, dass ich wirklich nichts mehr von dir will, und gleich mehreren deiner fürchterlich netten Telefonservicedamen mein Bedauern ausgesprochen, dass es nichts wird mit uns beiden. Ich erlaubte mir noch den flotten Scherz, Bis dann!
anstatt Adieu!
zu sagen, und wenn ich heute so drüber nachdenke, dann muss ich mir wirklich auf die Schulter klopfen – alleine der Tatsache wegen, dass ich in meinem zwarten Alter schon über so viel weise Vorraussicht verfüge.
Denn heute erhielt ich von dir, liebes Versandhaus mit 6 Buchstaben, ein freundliches wie maschinelles Schreiben, in dem du dich immer noch wie irre über meinen Einkauf freust und mir herzlich für meine Bestellung dankst, Fleiß und Bestreben deinerseits ausführlich darlegst und in einem Atemzug zutief bedauerst, dass die Lieferung der mir zugedachten Artikel auf unbestimmte Zeit verschoben werden müsse. Du bittest mich wirklich sehr nett um meine Geduld und machst mir – für den Fall, dass ich angesichts der maladen Umstände nicht mehr guten Willens sei – ein echtes Knaller-Angebot, nämlich, und jetzt find ich dich und dein Schreiben engültig albern: Meinen Auftrag zu stornieren. Für 14 Cent die Minute.
Sich über nichts mehr wundernd,
Deine serotonic
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