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11. Feb 2015 Viele.
Persönlich ist das neue Schwarz//Zur Sache, Mann!// 2 Kommentare
Die Zahlen! So viel?
Fleischproduktion in Deutschland im Jahr 2014 auf neuem Höchststand -Statistisches Bundesamt - https://t.co/MUFAfgjkE8
— Sven Dietrich (@svensonsan) February 11, 2015
So twitterte Sven heute früh, und es juckte mir, -e. Viel_e_.
zu antworten. Wie so ein militanter Veganer. Oh, wait.
Tatsächlich beobachte ich an mir eine Art fortschreitender Radikalisierung, und es ist mir ein Bedürfnis, jetzt darüber zu sprechen – bevor ich vergessen habe, wie sonderbar sich das anfühlt. Ich lebe nun seit etwas mehr als einem Jahr so konsequent vegan, wie es mir eben möglich ist; dazu gehört neben Nahrungsmitteln auch Kosmetik und Kleidung. Es gibt viele Bereiche, in denen noch reichlich Verbesserungspotential vorhanden ist, das alles hört ja nicht bei Tierethik auf, sondern entpuppt sich vielmehr als Fass ohne Boden, das immer tiefer zu werden scheint, je mehr man sich bemüht. Das vegane Leben jedenfalls ist mir mittlerweile in Fleisch und Blut übergegangen, ich denke da nicht mehr viel drüber nach, es ist Alltag, ich lebe halt so.
Aber.
Jetzt, wo sich mein innerer Konflikt langsam auflöst, gerate ich immer öfter und intensiver in Konflikt mit meiner Außenwelt. Es ist jetzt nicht so, dass ich mich berufen fühle, bei Tisch über die Leidensfähigkeit von Lebewesen zu referieren oder jede in meiner Anwesenheit verzehrte Currywurst mit einer missbilligend hochgezogenen Augenbraue zu quittieren; ich respektiere, dass andere Menschen einen anderen Blick auf Fleisch, Milch und Eier haben, den hatte ich selbst lange genug. Kommt das Thema allerdings tatsächlich zur Sprache, fällt es mir immer schwerer, eine weiche, verständnisvolle und vermittelnde Position einzunehmen, und das liegt schlicht daran, dass ich keinerlei Distanz mehr zu diesen sogenannten Produkten habe.
Wenn die Kollegen Mittag für Mittag Döner, Schnitzel und Brathähnchen verzehren, sehe ich die Überreste von Schafen, Schweinen und Hühnern in ihren Mündern verschwinden. Dann sehe ich Individuen, denen unter grausamen Bedingungen das Leben genommen wurde. Dann sehe ich Tierkinder und -Heranwachsende, denen es während der kurzen Dauer ihres Daseins an fast allem mangelte, was nach unseren Maßstäben ein Leben erst lebenswert macht. Dann sitzen für mich Tod und Leid mit am Tisch – und falls sich das jetzt fürchterlich theatralisch und hochemotional lesen sollte: Das ist es nicht. Es sind ganz nüchterne Fakten, die ich ganz unaufgeregt wahrnehme. Es sind halt die anderen Seiten von lecker. Schnöder Alltag.
Ich hatte hier einmal ausgerechnet, wie viele Tiere in jeder Sekunde des Jahres 2013 alleine in Deutschland getötet wurden, so man denn rund um die Uhr geschlachtet hätte. Es waren 24. Wie ich der frisch veröffentlichten Statistik für 2014 nun entnehmen durfte, waren es im letzten Jahr schon 25,8. Jetzt ziehen Sie sich das mal bitte rein: 25,8 Lebewesen pro Sekunde. Und hier sprechen wir nur von den industriell erzeugten Landbewohnern, Fluss- und Meeresbewohner müssen da noch draufgerechnet werden, und Wildtiere ebenso. Und ich finde durchaus, dass einem angesichts solcher Zustände und solcher Zahlen schon mal die Hutschnur hochgehen kann.
Es brodelt tatsächlich ganz massiv in mir. Die tief verwurzelte Verankerung dieses Unrechts macht mich hilflos, macht mich wütend – und mein Wunsch, Klartext zu reden, wird immer stärker. Und deshalb sage ich es jetzt doch: 792.090.900, das wäre viel, wenn es nur um irgendeine Masse irgendeines Erzeugnisses ginge. Aber Achtung, moralischer Gestus ahead: Das hier, das sind viele. Und in jedem von ihnen schlug ein Herz.