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Zu der Ausbildung zum Mediengestalter gehören 2 Komponenten: Die betriebliche Ausbildung und die schulische. Wie ich bereits schilderte, war meine betriebliche Ausbildung ein Fiasko. Die Schulische war, abgesehen vom schlichtweg fehlenden Druck, keinen Deut besser. Warum, schildere ich in diesem Teil.
Die Schulische Ausbildung zum Mediengestalter:
Ein schlimmes Wort vorweg, dann hab ichs endlich von der Zunge und werde den pelzigen Geschmack hoffentlich schnell los: Halbwissen. Halbwissen ist das, was ich im schulischen Teil der Ausbildung vermittelt bekommen habe. Und wie wir ja alle wissen, ist Halbwissen vor allem eins: gefährlich.
Und ja, ich meine es so, wie ich es schreibe, gehe direkt über Los und schmeiße keine Münze ins Phrasenschwein: Wenn der HTML-Unterricht damit beginnt, das Font-Tag vorzustellen, dann ist das gefährlich für einen Azubi, der später in einer Agentur durch die Probezeit muss. Wenn über 2 Monate hinweg ein im Grunde so simples Thema wie Colormanagement in gleich 2 Fächern von 2 unterschiedlichen Lehrern mit 2 unterschiedlichen Meinungen unterrichtet wird, dann ist das gefährlich für einen Azubi, der bei der Abschlussprüfung eine fast unüberschaubare Anzahl von Themen klar und deutlich im Kopf haben muss. Wenn fast 3 Monate lang digitale Stand- und Bewegtbilddatenvolumen mittels zu paukender Formeln berechnet werden müssen und diese Berechnungen niemals mit der Praxis in Einklang gebracht werden, dann ist das gefährlich für einen Azubi, der Angst vor Mathematik hat und sein guter Notendurchschnitt durch die unverhältnismäßige Gewichtung der Klausuren im Jahresmittel deutlich absinkt. Wenn rund 50% des Unterrichts daraus besteht, dass Schülergruppen Referate zu Themen halten, die sie selbst erarbeiten mussten und nicht durch den Lehrer inhaltlich kontrolliert oder gar begleitet wurden, dann ist das gefährlich für die ganze Klasse, die etwas als Fakt mitnimmt, was schlichtweg falsch ist.
Meine Beobachtungen haben ergeben, dass die Lehrer auf meiner Berufsschule, dem Heinrich Hertz Berufskolleg der Stadt Bonn, vor allem unmotiviert waren. Einige von Ihnen hatten keine pädagogische Vorbildung und waren den Klassen lauter, aufmüpfiger Jugendlicher und junger Erwachsener, die allesamt alleine durch ihren Betrieb die Schnauze gestrichen voll hatten, geradezu hilflos ausgeliefert. Wir sahen neue, motivierte Lehrer kommen und konnten fast dabei zuschauen, wie sie sich in dem Sumpf von wilden Klassen und fast stündlich wechselnden Anforderungen verloren. Eines hatten sie alle, bis auf eine Lehrerin, gemein: Sie gingen den Weg des geringsten Widerstandes und hielten ihr Herzblut vollkommen aus ihrer Arbeit heraus. Da wurden Kopien während der Unterrichtszeit gemacht, Klausuren monatelang nicht korrigiert und das Engagement mancher Schüler, den Unterricht zu verbessern und den Willen zum Lernen zu beweisen, am langen Arm aushungern lassen.
Das Verhalten der Lehrer war psychologisch gesehen zwar recht interessant, aber in erster Linie einfach nur menschlich und nachvollziehbar und wird sicher auch von Schule zu Schule differieren – also noch mal zurück zu den vermittelten Inhalten. Davon einmal abgesehen, dass der Fokus besonders ausgiebig auf recht nebensächliche Themen gelegt wurde, die den realen Berufsalltag eines Mediengestalters nicht gerade häufig kreuzen: die meisten wiesen Lücken auf, passten nicht zueinander oder waren ganz simpel unverständlich geschildert. Hinzu kommt, dass selbst Bücher in Detailfragen nicht verlässlich zur Hilfe genommen werden konnten, weil sie sich vielfach widersprachen. So sitzt man da bis kurz vor der Abschlussprüfung, mit einem großen Fragezeichen über dem Kopf, gekleidet in Unsicherheit, und wiegt sich sanft in der Hoffnung, dass gerade zu diesen Themen keine Fragen gestellt werden, wenn der Abschlussprüfungsbogen schlussendlich vor der eigenen Nase liegt.
Abschließend bleibt noch zu sagen, dass mein Jahrgang der Erste war, der an dieser Schule unterrichtet wurde. Ich neige trotzdem nicht dazu, Hoffnung für die Zukunft oder andere Schulen zu kommunizieren: Schon damals erfuhr ich von Bekannten, dass es an anderen Schulen nicht besser war – und wie ich heute noch regelmäßig höre, ist die Kernproblematik „Halbwissen“ immer noch akut präsent.
Weiterlesen: Sechs Jahre Mediengestaltung Teil VI (Berufsbild und Bedarf)
13:12h
Robert sagt:
Besonders gefährlich am in den Schulen vermittelten Halbwissen ist aber auch, das dies meist vollkommen überholt ist. Ich möchte nicht wissen, wie alt eure Bücher waren. Und überhaupt ist der Font-Tag so was von 90er … ;-)
19:47h
Lobo sagt:
Auwei, mein Lieblingsthema :-)
Ich / Wir bilden schon immer aus. Zum Buchhändler (leider sehr selten geworden) und zum Kfm im Einzelhandel.
Was ich da für Stories von der Berufsschule erzählen kann …..
Sprengt den Rahmen !
Was ich noch schlimmer als Halbwissen finde, ist wie oben schon erwähnt überholte Inhalte und schlicht falsche oder unbrauchbare Infos.
Was ebenfalls extrem nervt, ist stellenweise die regelrechte Hetze gegen die Arbeitgeber. Als ob wir alle Ausbeuter wären….
Da wurde dann immer schön über alle Rechte aufgeklärt, die Pflichten aber geflissentlich beiseite gelassen.
Und dann diese Kindergartenmethoden :
"Ihr dürft eurem Chef aber nicht sagen das wir zum Weihnachtsmarkt fahren, sonst bekommen wir Ärger."
Mein Azubi hat es mir trotzdem erzählt, weil sie daruaf keine Bock hatte und lieber arbeiten gekommen ist. ;-)
Wahrscheinlich gibt es auch andere Berufsschulen, in denen alles besser läuft. Habe ich bislang nur leider nicht kennenglernt.