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Disclaimer: Meine Ausbildung zum Mediengestalter habe ich 2004 abgeschlossen. Das Berufsbild hat sich seither stark gewandelt (u.a. wurden die Fachrichtungen zusammengefasst), und wie die aktuelle Marktlage für frische Mediengestalter aussieht, kann ich auch nur schwer einschätzen. Für Korrekturen und frische Einschätzungen in Kommentarform wäre ich der werten Leserschaft sehr verbunden.
Wenn man nach einer langen Ausbildungszeit einmal zur Ruhe gekommen ist, kann es passieren, dass man sich fragt: Und, was mache ich jetzt mit meinem Schein? Oder einmal anders gefragt: Was bin ich jetzt eigentlich?
Jetzt bin ich also Mediengestalter für Digital- und Printmedien – bin ich jetzt auch was?
Per se: Nein. Ich habe Menschen ohne jegliches Gestaltungsgefühl die Ausbildung mit Bravour bestehen sehen. Ich habe Menschen mit fantastischem Gestaltungsgefühl gesehen, die nur mit schlechtestem Notendurchschnitt und absolutem Ach und Krach den Abschluss schafften. Vor allem habe ich aber viele Menschen gesehen, die erst einmal ratlos vor ihrem Leben standen. Denn die Ausbildung ist ein Zuckerschlecken an einem sanften Frühlingsmorgen, gemessen an der Marktpositionierung und am Marktwert eines Mediengestalters. Und der Grund dafür liegt im Beruf selbst begraben.
Ein Mediengestalter ist nichts anderes als eine eierlegende Wollmilchsau. Ein Mensch, der viel weiß, aber von nichts wirklich eine Ahnung hat. Wenn man mal ehrlich ist. Was vor allem daran liegt, dass sein Einsatzgebiet direkt aus 4 ehemaligen Ausbildungsberufen zusammengewürfelt wurde: dem Schriftsetzer, dem Reprograf, dem Reprohersteller und dem Werbe- und Medienvorlagenhersteller. Und dann, man lasse es einfach einmal auf der Zungenspitze tänzeln, bearbeitet so ein Gestalterlein vom Namen her auch 2 vollkommen unterschiedliche Wissensfelder: Digitale Medien und Printmedien. Nur die Gewichtung der beiden Felder variiert – je nachdem, ob der Berufsbezeichnung noch ein „print“ oder ein „nonprint“ nachgeschoben wird. Und obwohl schlussendlich nur die Gewichtung variiert, sollte so ein Mediengestalterlein auch über genug wasserdichtes Fachwissen verfügen, beide Arten von Medien kompetent gestalten zu können. Dies ist aber in der Regel nicht der Fall, denn dafür sind beide Hauptbereiche zu komplex für 3 kurze Ausbildungsjahre – alleine aus diesem Grunde kann die Ausbildung zum Mediengestalter nie in eine befriedigende Tiefe gehen.
Ich vergaß fast, dass für eine Vertiefung im Ansatz Folgendes sorgen sollte: Die Unterteilung dieses Ausbildungsberufes in 4 Fachrichtungen (Mediendesign, Medienberatung, Medienoperating und Medientechnik) – doch diese Unterteilung versteht da draußen, in der Wirtschaft, da, wo diese Menschen eventuell gebraucht werden, niemand. Daher lasse ich sie hier der Kürze halber auch unter den Tisch fallen. Im Grunde machen wir alle das Gleiche; im Arbeitsleben greifen die Aufgabenbereiche nahtlos ineinander und werden oft von ein und derselben Person bearbeitet: Beratung, Konzeption, Kreativarbeit, Datenaufbereitung und -management, technische Umsetzung, oft auch Projektmanagement, Kostenmanagement, Optimierung des Workflows oder ähnlichen innerbetrieblichen Prozessen. Ich jedenfalls habe noch nie gehört, dass ein Betrieb einen Mediengestalter je Fachrichtung beschäftigt, um alle Aufgabengebiete abgedeckt zu wissen.
Nun, jetzt haben wir den Mediengestalter, unsere halbwissende, eierlegende Wollmilchsau, an der einen, und den Markt an der anderen Hand. Bis der Beruf Mediengestalter aus der Taufe gehoben wurde, gab es eine noch recht ausgeglichene Anzahl an Menschen, die Medienberufe klassisch lernten oder studierten – und vom Markt gebraucht wurden. Das hätte auch durchaus mit der Zusammenlegung der Berufe funktioniert, hätten da nicht einige Institutionen zu engagiert mit dem Berufsbild Mediengestalter das Heil aller, die im Kunstunterricht einmal eine Eins hatten, verkündet. Die zahlreichen Berufsberater dieses Landes waren allzu versessen auf den Hype, den das Internetz und die neuen Medien heraufbeschworen und schickten unzählige junge Menschen in einen Ausbildungsberuf, den sie selber nicht verstanden hatten.
Und so war mit dem ersten Rutsch fertig ausgebildeter Mediengestalter der Marktbedarf hier im Köln/Bonner Raum gedeckt. Satt, geradezu fett war der Markt, und man hörte immer wieder, dass XY sich selbstständig gemacht hätte, weil er keine Arbeit gefunden hat, die auch nur ansatzweise angemessen bezahlt wird. Die Preisschraube für Mediengestalter ging immer weiter runter, und ich könnte Geschichten erzählen von Menschen, die einen fantastischen Job machen und maßgeblich zum Erfolg ihres Arbeitgebers beitragen – und trotzdem neidisch auf das Gehalt von Fachkräften für Abfallwirtschaft schielen müssen.
So saß auch ich mit einem illustren Grüppchen Klassenkameradinnen beim Arbeitsamt und starrte Löcher in meine Zukunftssuppe. Denn der Arbeitsmarkt brauchte uns nicht, keiner schrie „Hier, wir wollen dich!“, weil du einen ach so trendigen Beruf erlernt hast. Einen trendigen Beruf, der im Grunde nur eine große Wasserblase ist.
Weiterlesen: Sechs Jahre Mediengestaltung Teil VII (Not und Tugend)
20:08h
Lobo sagt:
Ist ja auch so ein Bereich, wo die Bezahlung ein steter Kampf ist.
"Wie ??
Da wolln se Geld für haben. Für das bisschen geklimper auf der Tastatur ?
Hätt ich ja selber machen können !"
Da möchte man natürlich schreien : " Dann macht das doch selber, ihr ver…. ****"
Darf man aber natürlich nicht.
Ich sage ja immer : Geht zum Experten, wenn der Kunde "nur eben" ne Einladungskarte erstellt haben möchte. Sie können dann ja gerne zum Ausdrucken (wir haben auch einen Copy Shop) wiederkommen !
Das "nur eben" mal schnell ne Stunde dauert und ich für diesen Service auch noch die unverschämtheit besitze Geld zu nehmen, habe ich mir nun ein paarmal angehört, brauche ich nicht mehr.
Ich mag mir garnicht vorstellen, wie das ist wenn man "nur" den Service anbietet. ;-)
23:47h
Uschi Ronnenberg sagt:
Die Entwicklung in der Branche ist ziemlich rasant - ich lernte Anfang der achtziger Jahre noch das Reinzeichnen mit Fixogum und Fotosatzfahnen, heute jedoch bin ich durch persönliches, permanentes Dazulernen (und Dazukaufen von Technik) auch eine vielseitige Mediengestalterin mit einem Grafik-Design-Studium als Basis… Wo sind sie geblieben, die hochspezialisierten Lithographen und Fotosetzer und und und? Ich finde meinen Beruf spannend und erfüllend - und ob der kaum mehr aufteilbaren Verantwortung für die Qualität des Endproduktes ziemlich anstrengend. Ja, genau, Tastaturgeklimper… Das "Argument" kenne ich!
17:10h
Stefan sagt:
Ja ja, kommt mir alles irgendwie bekannt vor. Ich habe zwar meinen Abschluss zum Mediengestalter Digital & Print in einer Umschulung auf 2 Jahre komprimiert durchstehen müssen, aber ich bin der gleichen Meinung, wenn es um die berufliche Qualität bzw. den Wert des Titels angeht. Eigentlich bekommt man damit schon Minderwertigkeitskomplexe, wenn man dann neben einen studierten Mediendesigner steht und sich manchmal fragt, ob man überhaupt was Wert ist.
Aber ja, kann ich dazu nur sagen! Ich habe auch studierte Mediendesigner erlebt, die nicht in der Lage waren, auf Los - kreativ zu werden sprich, sie bekamen eine Aufgabe bei einem Einstellungstesttag in einer Werbeagentur und sind einfach wortlos während der Pause verschwunden. Vorher guckten sie in den Bildschirm, wie auf ein leeres Blatt Papier.
Also der Grad der Ausbildung hat zum Glück nichts mit dem Wichtigsten, nämlich dem "Ergebnis" zu tun! Auf das Ergebnis kommt es an. Klar, schmücken sich so manche Agenturen auch gerne mit studierten Grafikern, um sich scheinbar schon hier vom Rest der Welt deutlich abzugrenzen. Vom scheinbaren Abschaum, meine ich natürlich. Dem Mediengestalter.