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11. Mär 2009 Und es hat *knack* gemacht.
Es muss rund 9 Jahre her sein, da traf ich Martha. Martha war inmitten der Vierziger, Russin und Angestellte im lokalen Physiotherapiezentrum, außerdem vertrat Martha den kleinwüchsigen Mann mit dem niedlichen Niederlandakzent und den kräftigen Händen, der meiner unfallbedingt verkrampften Rückenmuskulatur nun schon seit einigen Sitzungen zu schmeicheln pflegte.
Irgendwie fiel es mir schon schwer, ihrer mit langgezogenem A-Laut geäußerten Bitte, mich „doch jetzt bitte zu entspannen“, nachzukommen und mein Gesicht widerstandslos in die Aussparung der Liege zu senken. Das mag an dem engagiert-resoluten Blick gelegen haben, den Martha meinem Kreuze schenkte. Oder an den Knacklauten, die Marthas Hände beim aufwärmenden Ringen derselben von sich gaben; man weiß es nicht genau. Vielleicht war es auch nur einfach eine Ahnung, ein aufmerksamer Moment weiblicher Intuition. Dann legen wir mal los!
, frohlockte Martha mit rollendem R und langem A, und ich vergrub – völlig zurecht, wie sich wenige Sekunden später herausstellen sollte – meine Fingernägel vorsorglich in den Handflächen.
Ich hatte bis dato schon viel erlebt; mein Gesicht hatte schon mehrfach Bekanntschaft mit geschmetterten Volleybällen gemacht, mein Solarplexus fing einen Elfmeter, außerdem rang ich schon mit einem Shetlandponyhengst. Shetlandponyhengste sind, stellen sie sich auf die Hinterhufe, durchaus imposantere Gegner, als man es sich im Allgemeinen vorstellt – und menschliche Gesichter nach einem derart ungleichen Ringkampf mitunter violetter, als man es überhaupt für möglich hält. Ich kann also mit Fug und Recht behaupten, dass ich in punkto Schmerzen nicht unerfahren war. Aber das, was Martha nun mit mir, meinen Muskeln und Wirbelkörpern anstellten sollte, hatte ganz andere Qualitäten.
Martha massierte und zerrte, verbog und drückte, zog und quetschte wie ein Berserker – und quittierte jedes meiner gequält ausgestoßenen Halt!
s und Stopp!
s mit einem gebetsmühlenartigen Nanana. Ist gleich vorbei.
Wenn mich der Schmerz nicht täuschte, lag ein fast unheimliches Wohlgefallen in ihrem Unterton, und ich hatte das unangenehme Gefühl, dass sich ihr Gesicht nach und nach zu einer grinsenden Maske verformte, während ihre spitzen Ellenbogen mein zähes Fleisch malträtierten und ich verzweifelt auf ihre vergilbten Fußnägel starrte. Es ist mir bis heute schleierhaft, wie den Fingern einer lediglich mittelgroßen Frau solch unmenschliche Kräfte innewohnen können, und ich fragte mich dort, auf der Liege und unter Schmerzen, was das Leben Martha wohl angetan haben muss, um aus ihr ein derart rabiates Miststück zu machen.
Nur wenige Minuten später verließ ich die Praxis wie ein geprügelter Hund, mit gesenktem Kopf, gruß- und blicklos, und betete den verregneten Himmel inständig an, dass ich Martha nie, nie wieder würde begegnen müssen.
Die ersten Tage war es nicht leicht. Ich nahm völlig freiwillig eine zwar ungesund aussehende, aber durchaus hilfreiche Schonhaltung ein, verordnete mir ein leichtes Bewegungsmanagement zwischen Bett und Bad, und nach nur wenigen Sommerwochen konnte ich den Regenerationszyklus als erfolgreich abgeschlossen betrachten. Und obwohl ich nur die Hälfte der mir verschriebenen Sitzungen in Anspruch genommen hatte, sah mich seither kein Physiotherapeut mehr von hinten.
Bis der gestrige Abend kam.
Da reihte ein Ebensolcher meine Wirbelkörper überraschend schmerzfrei völlig neu auf, und ich ging anschließend nicht wie ein geprügelter Hund, sondern so groß wie nie zuvor: ganze 1-Meter-61-Komma-6 brachte ich an Türrahmen und unter Wasserwaage. Meine Damen und Herren, das sind 1,1 Zentimeter über dem Rekord direkt nach dem Aufstehen; und wer jetzt sagt, dass das ja nicht die Welt sei, der hat noch nie innerhalb von 20 Minuten 11 Millimeter an Körpergröße hinzugewonnen. Sehen wir einmal von dem leichten Muskelkater ab, den ich heute mit mir rumschleppe: Ich habe mich seit Ewigkeiten nicht mehr so – nun ja – grade gefühlt. Vielleicht sogar seit 9 Jahren nicht mehr.
08:24h
Etosha sagt:
Gnihi, sehr unterhaltsam gedichtet! (Wobei mir die humoristische Überzeichnung im Sinne der flockigen Erzählbarkeit und der dahinterliegende, durchaus ernsthafte Schmerz bewusst sind.)
Therapeut bitte per DHL gen Südosten schicken. Danke :)
15:25h
serotonic sagt:
Erwischt. Ich weiß wirklich nicht mehr, ob sie tatsächlich Martha heiß ;)
(Ich würd sofort, könnte ich. Solltest du nochmal D bereisen, schlepp ich dich dahin, jarwoll.)
absolute serokratie am : Was tun bei vergilbten Zehennägeln?