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04. Jan 2011 Buch: Neununddreißigneunzig
Neununddreißigneunzig (39,90)
Frédéric Beigbeder (Autor), Brigitte Große (Übersetzerin)
★★★☆☆☆☆☆☆☆
Uff. Ich habe mir 39,90 schon vor einigen Jahren aus einer „Kind, du musst dringend wieder lesen. Bestell dir doch irgendwas, was die Leute gut finden, so falsch können Bestsellerlisten nicht liegen“-Laune heraus gekauft. Seither gammelte das 9,90 Euro teure Taschenbuch vor sich hin, und da mir der Riesenstapel Geburtstagsgeschenkbücher auszugehen drohte, nahm ich mich kürzlich seiner an. Und, meine Güte, Bestsellerlisten können so unglaublich falsch liegen!
Neununddreißigneunzig handelt vom großkotzigen Werber Octave, der es sich zum Ziel gesetzt hat, gefeuert zu werden – und weil ihm das mit den üblichen Mitteln (wie koksnasenblutige Grußformeln an den Wänden des Großkunden, zum Beispiel) nicht gelingt, schreibt er einen Roman, in dem er all die kleinen und großen Widerlichkeiten der Branche aufdeckt und nebenbei beschreibt, wie er an ihnen vor die Hunde geht, in emotionaler und schlussendlich auch in lebensplanerischer Hinsicht.
Bis zur Mitte des Buches funktioniert das alles auch ganz gut (von den ständigen Hitlervergleichen und der anstrengend hohen Fickwortdichte einmal ganz abgesehen). Dann versucht Neununddreißigneunzig aber ganz nebenbei und im Buchverlauf immer deutlicher, Kunst zu sein. Zwischengeschobene Werbeclips (zwanghaft abgefahren und voll meta, ey!), Kapitel, die mit »Ich«, »Du«, »Er«, »Wir«, »Ihr«, »Sie« auch noch ständig und inkonsequent die Erzählform wechseln; weise Zitate in Hülle und Fülle, von der nächsten Claimidee gejagte Wortspiele, furiose Storywendungen … Es wirkt gerade so, als hätte Beigbeder einfach alle seiner Ideen in ein Buch pressen müssen, und so fragt man sich gen Ende immer öfter, was der Mann da redet – obwohl einem durchaus und schon längst völlig klar ist, was er sagen möchte.
Im Grunde hätte Frédéric Beigbeder besser 3, 4 schöne, knackige Blogartikel schreiben sollen, und das meine ich überhaupt nicht bösartig. Man spürt einfach, dass ihm im Laufe des Schreibens die Puste ausgegangen ist; denn im letzten Drittel zerfällt der ganze Roman bedauerlicherweise in seine Bestandteile: Eine relativ glaubwürdig gezeichnete Person in einer immer abstruser werdenden Rahmenhandlung, Ideenskizzen eines Kreativen und die große Konsumkritik-Branchenpranger-Keule.
Kurzum: 39,90 will offensichtlich stören – mich hat es leider nur genervt.
15:35h
minerva sagt:
hah! mir gings ähnlich - nur das ich bei einer der freundinnen vorm schrank stand und dachte, ah! die hats… und gelesen… und entsetzt weggelegt… und froh gewesen, keinen euro ausgegeben zu haben.