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29. Dez 2010 Bücher 2010 (II)
Und immer wieder die Zeit
Alan Lightman (Autor), Friedrich Griese (Übersetzer)
★★★★★★☆☆☆☆
Ich weiß, dass viele Menschen über dieses kleine Buch in heller Begeisterung aufgegangen sind. Bei mir war das nicht ganz so, was damit zusammenhängen mag, dass ich es – über etwa ein Jahr verteilt – immer wieder als Wartezimmerlektüre missbraucht habe. Eigentlich ist Und immer wieder die Zeit bestens dazu geeignet, denn es besteht aus 30 kleinen Beschreibungen von Welten, in denen die Zeit jedes Mal irgendwie anders tickt, und sie dadurch mächtig auf den Kopf stellt.
Mir schmeckte die recht schmale Rahmenhandlung nicht (ein träumender Einstein, wer hätte das gedacht); sie gab mir beim Lesen das Gefühl, dass es dem Autor nötig erschien, etwas intellektuellen Anspruch um die an sich wirklich sehr hübschen Gedankenspiele herumzuzimmern. Da in den Geschichten selber aber schon die milde Lebensweisheitskeule geschwungen wird, war mir das dann insgesamt doch ein bisschen too much Bedeutungsschwangerschaft für so ein kleines Buch.
Götterdämmerung
Sven Böttcher
★★★★★★☆☆☆☆
Ich bekam Götterdämmerung schon Ende 2006 geschenkt und unternahm seither mehrere erfolglose Leseanläufe. Dieses Jahr war ich offensichtlich geduldiger und könnte jetzt davon sprechen, bis zum Ende durchgehalten zu haben, klänge das nicht viel zu negativ – denn schlussendlich hat es mir überraschend viel Spaß bereitet.
In Götterdämmerung erfährt das Geltungsbedürfnis der (übrigens allesamt durchgeknallten) Gottheiten unterschiedlichster Kulturen derartig ungesunde Ausmaße, dass die Existenz der Menschheit und in Folge dessen natürlich auch die der Götter bedroht ist. Ein paar von uns Würmern müssen dann mit Hilfe einiger, nicht ganz so durchgeknallter Gottheiten die Welt retten – und das ist durchaus komischer, als es sich in zwei Sätzen Zusammenfassung liest. Mein Problem mit dem Buch ist: Es ist ZU komisch. Jeder Satz ein Wortwitz, und damit übertreibe ich keinesfalls. Für sich genommen halte ich dieses Sprachtalent für bewundernswert, mir liegt auch die Art des Humors, aber Götterdämmerung liest sich durch die immense Lustigkeitsdichte eher schleppend. Mir hätte das Buch durchaus mehr gefallen – wenn es doch nur ein bisschen weniger komisch wäre.
Sturmhöhe
Emily Brontë (Autorin), Ingrid Rein (Übersetzerin)
★★★★★★☆☆☆☆
Ich habe Sturmhöhe bereits Anfang des Jahres in der Übersetzung von Gisela Etzel gelesen. Mein Idee, dieses Buch in 3 Übersetzungen zu lesen, nur um zu erfahren, wie weitgehend der Stil eines Übersetzers das Buch beeinflusst, ist sehr aufschlussreich – aber auch unglaublich anstrengend.
Vielleicht habe ich die Geschichte einfach zu schnell nochmal gelesen, vielleicht ist es aber auch der Stil von Ingrid Rein, der mir gar nicht gefällt. Habe ich Sturmhöhe in der Etzel-Übersetzung noch für ein leidenschaftliches, mitreißendes Buch gehalten, kommt mir die Rein-Übersetzung fast klinisch, nüchtern und völlig kalt vor. Ich habe mich diesmal durch die Seiten quälen müssen.
Außerdem gibt es eine kleine Sache, die mich überraschend tief gewurmt hat, und diese kleine Sache war das Wort für etwas, was man heute wohl als Wohnküche bezeichnen würde: Wo Gisela Etzel zwar im heutigen Wortsinne sachlich falsch, aber durchaus fließend, verständlich und ohne gesonderte Hervorhebung von der Diele spricht, spricht Ingrid Rein vom „Haus“, und zwar ausnahmslos inklusive Anführungszeichen. Das wäre nicht weiter wild, wenn es ein, zwei Mal im Buchverlauf vorkommen würde … aber dieser Raum ist zentral für die ganze Geschichte, und im Subtext der Anführungszeichen um „Haus“ steht so deutlich Ich beinhalte ein unnatürliches Wort
, dass sie mir den Lesefluss völlig ruinieren. Im Original ist übrigens beim ersten Auftreten von “the house” die Rede, im Folgetext dann einfach nur von the house.
Bestattung eines Hundes
Thomas Pletzinger
★★★★★★★★☆☆
Bestattung eines Hundes stand ursprünglich auf meiner Wishlist, bevor Christian B. es auf den Weg zu mir geschickt hat. Hier auch nochmal meinen heißen Dank, ich hab mich gefreut wie ein Schneekönig! :)
So ein tolles Buch. Ernsthaft, ich muss da gar nix mehr zu sagen, das hat die Isa ja schon, ich wüsste nicht, was ich da ergänzen könnte. Ihr müsst alle dringend rausgehen und dieses Buch kaufen, das gibt’s jetzt auch als Taschenbuch, und zwar hier, das sagt zumindest der Herr Pletzinger in seinem Blog.
Die Frau des Zeitreisenden
Audrey Niffenegger (Autorin), Brigitte Jakobeit (Übersetzerin)
★★★★★★★☆☆☆
Mir wurde Die Frau des Zeitreisenden als unglaublich wunderschöne Liebesgeschichte, und so spannend!
empfohlen, und ich erwartete so etwas wie eine leichte Strandlektüre. Weshalb ich natürlich nicht darauf vorbereitet war, eine der grausamsten Geschichten ever zu lesen. Wunderschön ist vielleicht das erste Viertel, vorausgesetzt man ist in der Lage, die Zwischentöne und Andeutungen zu überlesen. Die Frau des Zeitreisenden ist wie eine Achterbahn mit nur einem Bogen: Erst geht es steil bergauf, um dann nur noch in die Tiefe zu rasen, und zwar bis mehrere Stockwerke unter die Erde.
Der Geschichte um den unfreiwillig zeitreisenden Henry und seine große Liebe Clare liegt ein großartiges Zeitreisekonzept zu Grunde, das so unglaublich simpel ist, dass ich es erst einmal nicht verstanden habe. Es ist ja allgemeiner Konsens, dass Zeitreisen Paradoxien zur Folge haben, und genau diesen Gedanken muss man erst einmal gründlich vergessen, während man quer durch die Zeit geschüttelt wird und die alte Junge-trifft-Mädchen-Geschichte in unterschiedlichsten Alterskombinationen miterleben darf. Ich habe mich gründlich in die Beiden und in das Buch verliebt, und würde es uneingeschränkt weiterempfehlen, wäre da nicht …
… die Übersetzung. In Rezensionen zu dem Buch fand ich häufig die Kritik, Gedichte und Fremdwörter wären falsch oder nachlässig übersetzt, das kann ich aber nicht beurteilen; ich kenne mich mit englischer Literatur nicht aus und habe das Original nicht gelesen. Mir ist aber ohne jegliche Vorbildung aufgefallen, dass man die Tagesform der Übersetzerin spürt. Es gibt unendlich viele Passagen, die geradezu schmerzhaft holpern, auffällig oft gegen Ende eines Kapitels. Ich erinnere mich, zu Beginn gleich mehrerer Kapitel gedacht zu haben: Oh, da hatte sie wohl einen besseren/schlechteren Tag
. Ich habe mich aber nicht nur über Satzbaufehler und offensichtlich unpassende Wörter geärgert, sondern auch laufend über Rechtschreib- und Kommafehler. Normalerweise nehme ich es da nicht mit der Lupe, aber wenn ich mich als relativ unkritischer Leser alle paar Seiten frage, wie das Lektorat derart tief schlafen konnte, dann muss da schon etwas nicht stimmen.