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04. Mai 2009 Das Leben der Anderen
Ich war ja gerade mal zarte 9, als die Mauer fiel, und in meiner Familie war das damals kaum mehr Thema als das kleine Begleitgespräch zum üblichen Nachrichtencontent. Bei späteren Floskelschlachten meiner Onkel zwischen Kölsch und Nudelsalat konnte ich aber erfahren, dass die im Osten
alle Schmarotzer sind, weil wir ja schließlich jetzt für die da
unser ach so hart verdientes Geld geben müssten – während man mir in der Schule versuchte zu sagen, wie groß und gut es ist, dass aus 2 wieder 1 wurde, ohne dass Blut floss, uns aber niemand wirklich nahe brachte, warum genau das überhaupt so gut war. Dass da an der Mauer Menschen erschossen wurden, nur weil ’se rübermachen wollten, war eigentlich das einzige Knackargument. Kurz und bündig und unterm Strich: Ich hatte keine Meinung.

Etwas später natürlich machte ich mir selber eine, oder besser: ließ sie mir machen. Von den alljährlich ausgestrahlten Bildern der Menschen nämlich, die die Mauer stürzten, die die Grenze überschritten und die alle diesen besonderen Gesichtsausdruck mit sich hinübertrugen, ob sie haltlos weinten oder gerührt lächelten. Etwas, was Menschen so einen Gesichtsausdruck macht, kann einfach nur gut und richtig sein, so dachte ich mir. Auch heute braucht es nur wenige Sekunden dieser Bilder, um mir die Tränen in die Augen zu treiben und die Freiheit, die ich selber genieße, einmal wieder besonders hoch zu schätzen. Diese Gesichter haben mir geholfen zu verstehen, wie unglaublich tief Erleichterung wirklich greifen kann. Im Umkehrschluss haben sie mir aber auch eine Idee davon gegeben, dass man nicht direkt hinter Gittern sitzen muss, um gefangen zu sein – und kein schlechter Mensch, um verfolgt zu werden.
Genau dort setzt Das Leben der Anderen an. An dem Messer-im-Rücken-Gefühl, an der Angst, niemanden trauen zu können, an der Bedrohung durch einen übermächtigen Staat, dessen Machtposition durch die lückenlose Kontrolle seiner Bürger und die Zensur seiner Medien gesichert wird. Und obwohl ich deutsche Filme zumeist (alleine wegen der meist hölzernen Sprechart deutscher Schauspieler und den überwiegend konstruierten Kunstdialogen) nur mit spitzen Fingern anfasse, hatte der Film mich in jeder seiner 137 Minuten. Das Leben der Anderen ist ein wichtiger Film, der heute sogar noch um einiges aktueller und brisanter ist als bei seiner Premiere vor 2 Jahren.
08:43h
Herrsch sagt:
Absolut. Einer der wenigen Filme, die einen sprachlos stehen lassen, mit einem ganz komischen Gefühl, so ging es mir zumindest. Und nicht zu vergessen, ein grandioser Ulrich Mühe, der ja auch nicht mehr unter uns ist.