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11. Aug 2011 (N66)
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Jenseits meiner Dachschräge grasen eine Handvoll Lamas und Ponys. Auf dem Dach des Zeltes wehen vier Deutschlandfahnen, und die kompakte Frau aus dem dritten Wohnwagen von links hat ein kleines Haustier, das Rocky heißt und heute früh weggelaufen ist. Es sieht von meinem Fenster her aus wie ein wild gewordener Wattebausch, aber ich glaube, es ist ein Chihuahua.
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Am Berghang, etwa 20 Kilometer von hier, stirbt eine Oma. Ihr nur noch sehr winziger Körper liegt in einem Bett mit direktem Blick auf die Drachenburg und ist trotz all der Aussicht überall gelb. Auch das Weiß ihrer Augen ist gelb; es ist merkwürdig, wie allumfassend gelb so ein Mensch sein kann, als hätte man ihn mit Safranfäden abgerieben. Nur die Handflächen sind nicht gelb, sie sind auf wundersame Weise so rosa wie eh und je, überhaupt scheinen die Handflächen der einzige Teil an den 35 Kilo Oma zu sein, der noch irgendwie Kraft hat.
Es kommt einem fast unwirklich vor, dass in diesem bisschen Körper noch eine Frau stecken soll. Aber sie ist da, trotz Morphin immer wieder wach und klar, und sagt, dass sie nicht mehr will. Aber ihr Körper ist stur, so stur wie sie einstmals war, und lässt sie nicht so einfach gehen. Ich frage mich, warum man diesem wundgelegenen und unheilbaren Körper nicht die Sturheit austreiben, der Oma nicht beim Sterben helfen darf.
Ich wünschte, ich würde nicht mehr aufwachen.
Ich hoffe, dein Wunsch geht in Erfüllung. Schlaf schön.
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Der Apfelbaum auf dem Balkon hat uns dieses Jahr 18 Äpfel geschenkt. Sie sind wunderbar frisch, süß-säuerlich und von einer ganz merkwürdigen Konsistenz, nicht fest und saftig wie die fünf Jahre zuvor, aber auch nicht mehlig – eher schwammartig, aber auf eine knackige Art. Es ist schwer zu beschreiben.
00:22h
Etosha sagt:
punkt zurück.
19:11h
Wortschaetzchen sagt:
Berührt mich. Der vorletzte Absatz. Mein Absatz. Und der von meiner Omi.
21:36h
Northern Shadows sagt:
Vielleicht passt es jetzt nicht so hierher, aber ich kenne den Gedankenzoo noch aus Zeiten, wo ich den Blog "SaschDaily" geschrieben habe. Nach langer Blog-Abstinenz bin ich nun wieder auf Dein Blog hier gestoßen. Und ich kann den gar nicht mehr wegblicken. Ich finde den ja soooo schön!
Und Du hast eine tolle Art zu schreiben. Inspiriert mich! Mache bitte weiter so! Danke schon mal im Voraus.
12:21h
serotonic sagt:
Northern Shadows,
das ist ja reizend, vielen Dank!
Ich wünsch dir viel Glück mit deinem neuen Blog.