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16. Feb 2010 Plagidingsbums.
Es gibt eine Zeit des Outputs und es gibt eine Zeit des Inputs. Ich halte es derzeit mit dem Input. Lese Bücher. Lese Twitter. Lese Anke. Sie sollten auch Bücher lesen. Vielleicht Twitter. Aber auf jeden Fall Anke.
Was wollt ich? Achja. Also – ich habe gerade einen flüchtigen Moment des Outputs. Und den habe ich, weil mir mein gebäckfetter Arsch am gestrigen Abend aus Freundschaft platzte. Zugegeben, eine etwas überzogene Reaktion, ging es schließlich nur um einen doofen Artikel („der“) vor einem in orthografischer Hinsicht völlig entstellten Wort („Beebie“), aber es ist nun mal kleinkarierte Eigenanspruchsdenke, die mich allerorts so fuchsig macht.
Da gibt es doch wirklich jemanden, der einem anderen Jemand in wunderbarer Bloggermanier (aka „Ich will ja nicht mit dem Finger zeigen, ich bin ja nicht böse, und eigentlich ist es mir egal, weil es ja keine Rolle spielt, aber nun ja, ich muss halt trotzdem in diese Taste hauen, weil ich ja weiß, dass ich im Recht bin, und wo kämen wir denn hin, wenn ich nicht doch irgendwo zwischen den Zeilen meinen Anspruch unterbrächte – aber politisch und sozial natürlich völlig unangreifbar und überaus korrekt, man ist ja schließlich nicht in Arschlochhausen und reicht sich die Nutella auch mit einem ‚das‘ davor, du.“), also da gibt es doch wirklich jemanden, der einem anderen Jemand vorwirft, ihn nachzuahmen, indem er ebenfalls den Begriff „Baby“ zu „Beebie“ verzerrt und den Artikel „der“ voranstellt, um so seinen Nachwuchs zu bezeichnen.
Und jetzt tun Sie mir den Gefallen und googeln Sie nicht, ich schreib das hier nicht für Zunder und Fingerzeig, sondern als Überleitung auf diese Hegemann-Sache, war ja klar, dass auch ich meine 2 Cent noch in das eh schon überfüllte Sparschwein quetschen muss.
Das Echo, das Helene Hegemann entgegenweht, ist hart, aber blöderweise nun mal verständlich. Weichgespülte Realitätsferne („Das arme Kind. Sie ist ja noch fast ein Welpe! Haben wir nicht alle unsere Fehler gemacht, damals?“) hilft da keinem weiter; wer ganze Absätze copypastet und nur hier und dort ein Wörtlein lupft, stellt sich nun mal sehenden Auges in den Sturm. Was natürlich nicht heißt, dass man mit einem Orkan rechnen muss, da darf man auch mal ruhig ein wenig Mitgefühl mit der Jungautorin haben – aber doch bitte nicht des Alters wegen. Vielleicht eher, weil sie als einzelner Mensch jetzt im Zentrum einer Diskussion steht, die so schwierig zu führen ist und die Gemüter heiß macht, weil da ja noch ein Papa und ein Verlag und die ganze Metadiskussion um das Internet und Literatur mit dranhängt.
Und auch wenn ich die Grenze zwischen Inspiration und Ideenklau hier eindeutig für überschritten halte, brodelt’s auch in diesem Thementöpfchen, und allerlei geschätzte Literaten werden verglichen, was das Zeug hält. Frau Hegemann hat einen Nachteil, den vor ihrer Zeit niemand hatte: Heute ist es wesentlich leichter, Plagiate zu entdecken, als je zuvor. Und es ist ebenso leicht, sie gewaltig auffliegen zu lassen. Uns steht da noch so einiges an Metageschwurbel ins Haus: Wie viel ist ohne Namensnennung ok, wie wenig gilt noch als Inspiration – und ich glaube nicht, dass es da ein Maß gibt, das wir finden und auf das wir uns einigen könnten. Wir können es ja noch nicht mal bei einer Textmenge von 140 Zeichen.
Es gibt immer mal wieder die Meinung bei Twitter, man müsse seine (Wortspiel-) Tweets vor Veröffentlichung googeln – nur für den Fall, dass jemand schon vorher die selbe Idee hatte. Um die Gefahr auszuräumen, die Timeline mit einem Plagiat zu befüllen. Ein hehrer Gedanke, jedoch reichlich übertrieben, wenn man mich fragt. Ginge es darum, müssten wir wohl alle jetzt(!) sofort(!) verstummen, denn ich bin mir sicher, dass alle Wortspiele bereits gemacht wurden und jede sprachliche Idee ihre bereits veröffentlichten Verwandte hat.
Erst kürzlich twitterte eine geschätzte Verfolgte etwas knackiges, das ich in ähnlicher Weise bereits vor einem Jahr twitterte – oh weh! Als ich sah, dass dieser Tweet in einer Stunde mehrere Dutzend mal gefaved wurde, während mein Eigener nach einem Jahr gerade mal die 50-Sterne-Grenze durchstieß, da guckte ich schon ein bisschen sauertöpfisch drein. Das war mein Moment kleingeistiger Eitelkeit, meine Sekunde des Alleinanspruchs auf meiner Idee. Und als diese Sekunde vorbei war, fand mich fürchterlich armselig.
Text und Design, das sind Herzenssachen. Natürlich ärgern wir uns über Plagiate. Natürlich schützen wir unsere Marken. Aber zufällige Wiederholung kleinster Wortspiele? Allerweltsbegriffe? Durchschnittliche Kosenamen?
21:16h
Johannes sagt:
Ich weiß nichts Gehaltvolles auf Ihren Beitrag zu schreiben, möchte aber Ihre (wieder einmal) hevorragenden Ergüsse nicht so unkommentiert stehen lassen. Vor allem, weil ich während des Lesens ganz viel genickt hätte, wäre ich nicht gerade mit meinem Kopf auf der Couch fest verankert. Und weil Sie halt immer so schön schreiben.
Oder mit einem Wort: Chapeau!
12:11h
serotonic sagt:
Für Sie ein ziemlich ernst gemeintes Handpusteküsschen, Herr Johannes!
(Ich las auf dem anderen Kanal, dass Sie erkältet sind, Sie armes Hascherl. Ich wünsche allerschnellste Besserung!)
12:49h
Looka sagt:
Darf ich darum bitten dieses Plugin, http://wordpress.org/extend/plugins/wp-likes/ , zu integrieren? Danke.
11:11h
serotonic sagt:
Aber das hätte mich ja um deinen Kommentar gebracht, und der ist doch viel schöner ;)
21:05h
grapf sagt:
Ach das mit dem Beebie. Ja, da bin die Tage auch drüber gestolpert. Möglicherweise an demselben Tag, an dem ich mich dann auf Glatteis auf meinen ebenfalls gebäckgestärkten Arsch fallen lassen mußte, was zwar wehtat, aber zum Glück sonst keine schlimmen Folgen hatte.
Aber zur Sache: mit den Herzenssachen, das finde ich auch. Das Problem fängt wohl einfach da an, wo wir die Ergüsse unserer Kreativität der Öffentlichkeit zum Genusse anbieten, um nicht zu sagen zum Fraß vorwerfen. Von da an verliert man ja einen Teil der Kontrolle. Und gerade wenn man gut ist - so wie Sie - ist die Gefahr immer groß, daß wer anders mit aufs Trittbrett steigt und Teile des Erfolgs klaut und - was ich viel schlimmer finde - diese Herzenssache irgendwie entweiht.
Zu der Hegemann-Sache sag ich jetzt mal nichts.
Aber ich hab mal eins meiner Photos auf einem Buchdeckel gefunden, ohne da vorher irgendwie von in Kenntnis gesetzt oder gar um Erlaubnis gefragt worden zu sein. Es war ein bißchen wie das Gefühl, als mal in unsere Wohnung eingebrochen wurde. Vor allem: gemein.
Übrigens schreiben Sie echt wunderschön. Da muß ich dem Johannes mal seine Idee klauen. Wo wir gerade dabei sind ;-)
Und ich freu mich riesig, hier mal deutlich mehr als 140 Zeichen am Stück von Ihnen lesen zu können.