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Kommen wir nun zu Teil 7 und somit zum (vorerst) letzten dieser Serie: Ich war also fertig mit der Ausbildung, hatte den Schein in der Tasche, Zukunftsangst im Bauch und reichlich Bewerbungen verteilt. Und auch bald schon reichlich Absagen in der Hand.
Ich hörte oft so schöne Sätze wie: Bei der aktuellen Wirtschaftslage können wir keinen weiteren Mediengestalter mehr einstellen. Aber ein Praktikum, das könnte ich ihnen anbieten!
Jung, erfolgreich ausgebildet, arbeitslos
Das ist die Krux, die ich generell nicht verstehe: Überall wird nach Ausbildungsstellen geschrien, Ausbildungsstellen, wir brauchen mehr Ausbildungsstellen! Schafft Perspektiven!
– doch eigentlich brauchen wir Jobs. Denn was nützt uns die schönste Ausbildung, in der wir jahrelang einen vollwertigen Teilzeitmitarbeiter ersetzt haben, wenn wir anschließend wieder auf die Suche nach neuen Perspektiven gehen müssen.
Viele meiner Klassenkameraden schlossen direkt nach der Ausbildung ein Studium an, einige kommunizierten offen, dass sie das nur tun würden, um Zeit zu gewinnen, bis „die Wirtschaft sich erholt hat“. Andere gingen direkt in die nächste Ausbildung in einem vollkommen anderen Beruf über. Wenige wurden von ihren Betrieben übernommen oder fanden einen Job als Mediengestalter. Der eine oder andere ließ sich zu einem Praktikum breitschlagen und arbeitete fleißig unentgeltlich. Und wieder einige Andere machten das, wozu sich so viele gezwungen sehen, die in ihrem erlernten Beruf arbeiten und Geld verdienen möchten: Sie wagten den Sprung in die Selbstständigkeit. So auch ich.
Einzelkämpfer
Nach knapp über 2 Monaten Arbeitslosigkeit wollte ich nicht mehr warten, dass jemand „Hier!“ ruft, ergriff die Chance, die ersten 3 Monate einen festen Auftraggeber zu haben, beantragte Existenzgründerzuschuss und machte mich selbstständig. Die Entscheidung fiel, und keine Woche später hatte ich meinen Gewerbeschein in der Hand und die ersten Kunden. Ich muss dazu sagen, dass ich die Selbstständigkeit mehr als gescheut habe; wenn es eines gab, was ich niemals wollte, dann ist es wohl die Selbstständigkeit. Ich wollte einen Arbeitsplatz, der mir mein Leben finanziert, kein Leben, das von meinem Arbeitsplatz geprägt ist. Der Schritt in die vollkommene Eigenverantwortlichkeit fiel mir sehr schwer und hat mich schlaflose Nächte gekostet. Auch heute noch, rund 2 1/2 Jahre später, schaffe ich es auch in meiner Freizeit kaum, den Kopf richtig freizubekommen und verfluche recht häufig den hohen Druck, der nur auf meinem kleinen, überschaubaren Schulterpaar zu liegen kommt.
Einzeln, aber nicht alleine
Als Einzelunternehmung kann ich mir den Luxus eines Büro-Mietobjektes schlichtweg nicht leisten, da müssen schon die eigenen vier Wände herhalten – Home Office, sweet Home Office! Die Vorteile liegen ganz klar auf der Hand: Miet- und Benzinkosten gespart, vollkommen freie Arbeitzeiteinteilung, und so ein warmes Fellchen auf dem Schoß ist gerade bei Zeitdruckarbeit einfach nur Gold wert. Doch die Nachteile sind auch nicht zu vernachlässigen: Die Arbeit ist ganz eng an das Privatleben geknüpft, der Raum um einen herum wird schnell zu eng, man bewegt sich weniger und sieht die Sonne seltener. Anfangs war die Einsamkeit im Speziellen kaum zu ertragen. Es fehlte mir der persönliche Austausch, ein netter Wortwechsel zwischendurch, unbelastete Ideen – die Zusammen-Arbeit mit Menschen. Ich war schon immer gerne Teamplayer und brauchte ein Weilchen, um festzustellen, dass da draußen noch viele andere sind, die alleine in ihrem Kämmerchen hocken, denen der Austausch ebenso fehlt – und daher meist ein Chatfensterchen offen haben. Und so sorgt auch in diesem Bereich das Internet mit seinen Bewohnern für Schmerzminderung und fängt den einsamen Einzelkämpfer in einem kleinen, feinen Netzwerk auf.
Und der Job selber? Wie isses denn so, das Arbeiten als Mediengestalter?
Ich vermute, dass alles, was ich bisher schrieb, darauf schließen lässt, dass ich jetzt auch noch gegen den Job selber wettern werde. Aber nein: Ich habe meinen Beruf mit viel Herzblut und massig Eigeninitiative erlernt, und genau so übe ich ihn jetzt auch aus. Oder besser: das, was ich aus ihm gemacht habe. Ich weiß nicht, ob ich das genau so sehen würde, wenn ich mich nicht selbstständig gemacht hätte und meine fachliche Ausrichtung, mein Angebot so ganz nach meinen Vorlieben gestalten könnte.
Fest steht: Ich liebe meine Arbeit. Ich liebe, was ich tue. Und das ist nicht unbedingt das, was das Berufsbild des Mediengestalters prägt.
Jungen Menschen, die mit dem Gedanken spielen, ebenfalls diesen Beruf zu erlernen, kann ich nur eines raten: Überlegt es euch gut und vor allem gründlich. Schaut lieber genau hin, ob dieses Berufsbild auch wirklich das bietet, was ihr für eure Zukunft wollt. Verlasst euch nicht blind auf die Zusicherung möglicher Ausbildungsbetriebe, euch kompetent fachlich anleiten zu können. Verlasst euch nicht auf das durch Lehrer vermittelte „Wissen“. Verlasst euch nicht auf die Aussage der Berufsberater, Mediengestalter wäre ein Beruf mit Zukunft – denn die Zukunft eines Mediengestalters ist oft der Kampf um eine Anstellung mit anschließendem Kampf um eine angemessene innerbetriebliche Positionierung mit entsprechender Entlohnung.
Ihr bekommt mit Abschluss der Ausbildung nur einen Schein, der besagt, dass ihr Mediengestalter seid. Welchen Beruf genau ihr dann ausübt, was ihr daraus macht, welchen Stellenwert dieser Schein für euch persönlich hat – das wird sich meist erst später zeigen.
13:59h
Thomas sagt:
Hallo,
ich finde deinen Blog "Sechs Jahre Mediengestlatung" prima,
da meine Partnerin und ich überlegen das selbe zu tun.
Gut zu wissen, dass es schafbar ist und auch andere mit dieser Entscheidung glücklich geworden sind.
Ich würde gern noch mehr lesen. Geht der Blog vielleicht bald weiter?
Kannst du in deinem Blog vielleicht mal erwähnen, wie deine ersten Schritte aussahen? Zum Beispiel, woher hast du deinen ersten Kunden bekommen, wie sah dein erster Arbeitstag aus, hast du einen Businessplan gebraucht?
Liebe Grüße
Thomas
01:03h
Lydia sagt:
Hallo serotonic,
vielen Dank für deinen hochinformativen Artikel! Mir ist mittlerweile auch klar geworden, dass Berufsberater und Zeitungsartikel keine verlässlichen Quellen für Zukunftsaussichten darstellen. Trotzdem verfolgt mich immerwieder diese aberwitzige Idee bei meiner Berufswahl auch Neigungen und Begabungen eine Rolle spielen zu lassen. O.o
Deshalb würde mich brennend interessieren wie du Kunden gewinnst!
Hoffnungsvoll,
die Lydia
10:53h
serotonic sagt:
Hallo Lydia,
das ist einfach: Ich bin nicht mehr selbständig tätig. Vorher habe ich allerdings ganze elf Jahre meine Aufträge ausschließlich über Empfehlung generiert :)
Alles Gute und viel Erfolg!