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Heute ist es auf den Tag genau sechs Jahre her, dass ich meine Ausbildung zum Mediengestalter Revue passieren ließ und darüber berichtete, wie ich zur Selbständigkeit kam. Als ich kürzlich über die Artikelreihe stolperte, war ich bass erstaunt, wie aktuell sie noch heute ist, wenn man von ein paar wenigen Details absieht. Insbesondere die Ausbeutung das Fachnachwuchses, die ich damals am eigenen Leib erfuhr, dürfte heute noch weiter verbreitet und schamloser, wenn nicht gar systemimmanent sein. Grund genug, die Artikel – inklusive aller damals begangenen Rechtsschreibsünden – aus der Versenkung zu holen.
Werfen Sie also einen Blick in die Vergangenheit, gehen Sie gemeinsam mit mir sechs Jahre zurück und lesen Sie heute und in den kommenden Tagen:
6 Jahre Mediengestaltung – ein Resümee
[Eine kleine Gruppe Menschen sitzt im Kreis auf Holzstühlen, die Sonne fällt durch den langen Riss im schweren, grünen Vorhang und macht die vielen kleinen Staubkörner in der Luft sichtbar. Es riecht nach altem Holzmobiliar, Instantkaffe und Fruchtgummi. Eine junge Frau erhebt sich von Ihrem Stuhl, blickt unsicher umher und räuspert sich.]
Junge Frau: Hallo, mein Name ist serotonic, und ich bin Mediengestalter für Digital- und Printmedien, Fachrichtung Mediendesign, nonprint.
Gruppe: Hallo, serotonic.
Es ist noch nicht lange her, da gingen meine Bewerbungen auf eine Ausbildungsstelle als Mediengestalter durchs Land. Es ist noch nicht lange her, da machte ich meinen Abschluss als Mediengestalter. Es ist noch nicht lange her, dass ich mich als Mediengestalter selbstständig machte. Aber doch sind es schon insgesamt fast 6 Jahre Mediengestaltung, die nicht nur mein Berufsleben prägen. Zeit für ein Resümee, wie die liebe Pia und ich feststellen mussten. Anfangen will ich aber ganz von vorne: Wie bin ich überhaupt darauf gekommen, Mediengestalter zu werden? Wie gestaltete sich mein Einstieg ins Berufsleben? Und wie geht es mir jetzt mit dieser Entscheidung? Lesen Sie hier nach und nach ein Resümee in 7 Teilen.
Schule und Schulabschluss:
Ich war eine grottenschlechte Schülerin. Während meiner Zeit auf dem Gymnasium glänzte ich mit Zeugniss-Durchschnittsnoten rund um die Note „Ausreichend“, blieb in der neunten Klasse sitzen, schaffte die zweite Runde mit Ach und Krach und vollendete das zehnte Schuljahr wiederum versetzungsgefährdet. Zeit, die Notreißleine zu ziehen und diese Schule zu verlassen. Die Wahl der weiterführenden Bildung fiel auf eine Schule, auf der ich meine Fachhochschulreife Fachrichtung Gestaltung erwerben konnte. Der Unterrichtsstoff war, gemessen an den Anforderungen des Gymnasiums, ein Witz, und so brachte ich die zwei von einem Jahrespraktikum begleiteten Schuljahre recht ansehnlich hinter mich.
Schulabschluss und Ausbildung – irgendwo dazwischen
Nach dem Abschluss war mir erst einmal klar: Ich will schaffen. Arbeiten, Geld verdienen, Schule hinter mich lassen und leben. Das habe ich dann auch getan. Ein Jahr lang arbeitete ich Vollzeit in einer Videothek, und jetzt einmal unter uns, so im nachhinein: Ich habe diesen Job geliebt. Ich habe die Menschen geliebt. Mit den Kollegen zu scherzen, während der Arbeitszeit massenhaft Sekt zu verdrücken und durch die Gänge zu flitzen war eine Freude. Mahnungen schreiben und vergessene Videos telefonisch einzufordern schmeichelte meinem Machtbedürfnis. Dem schüchternen Rentnerpärchen zum ersten gemeinsamen Porno beratend zur Seite zu stehen war erfrischend. Nur war mir klar, dass ich so nicht ewig weitermachen wollte; so schön und spaßig und menschlich spannend der Job auch war, er unterforderte mich, war schlecht bezahlt, stressig für zwei und bar jeglicher Perspektive. Also ließ ich mich vom Arbeitsamt berufsberaten.
Als die gute Berufsberaterin vor meiner Nase saß, meine Unterlagen durchblätterte und auf das Abschlusszeugnis der zehnten Klasse stieß, rief sie auf einmal erfreut aus, ja Mensch, ich hätte doch mal eine Eins in Kunst gehabt, da hätte sie was Feines für mich. Ich ignorierte geflissentlich, dass sie meine Fachhochschulreife Fachrichtung Gestaltung ignorierte, lächelte nett und fragte erfreut, was das denn so schönes wäre, dass es sie in so hell strahlende Aufregung versetzte. Und da hörte ich das erste Mal das Wort, das mein Berufsleben prägen sollte: Mediengestalter! Fachrichtung Mediendesign! Nonprint! Ein ganz neuer Ausbildungsgang, hochmodern, top-marktorientiert und zukunftssicher, jaja, das wäre nicht nur gut, das wäre geradezu für mich gemacht.
Soso, Mediengestalter also, das klang erst einmal gut. Also informierte ich mich weiterführend über das Berufsbild. Weiterführend insofern, dass ich das Wenige, was es zu lesen gab, las und nicht verstand. Nur eines hatte ich verstanden: Das, was ich damals noch für meine kreative Ader hielt, würde benötigt werden und ich könnte nach der Ausbildung einer dieser „Webdesigner“ werden, die mein kürzlich erst für mich entdecktes Internetz so schön bunt machten. Und das wollte ich. Unbedingt.
Weiterlesen: Sechs Jahre Mediengestaltung Teil II (erstes Ausbildungsjahr)